Interview mit Verena Braun, Illustratorin, Comiczeichnerin

Veröffentlicht in: Blog | 0

Im Literaturmagazin „Bella triste“ (# 37) erschien 2013 mit dem Kapitel 8 ein Preview auf das Comicbuch „Adamstown“. Man bekommt schon einen Einblick worum es gehen könnte. Eine kleine Internetrecherche ergab, dass das Buch noch nicht erschienen ist. Aber auf der Webseite der Hamburger Illustratorin Verena Braun und auf der Facebook-Seite zum Buch sah ich, dass schon kräftig am Buch gearbeitet worden ist. Im folgenden Interview schilderte Verena Braun mir wie sie die Geschichte entwickelt und gezeichnet hat, ja und, wie sie plant die Western-Geschichte um Adamstown zu veröffentlichen.

Du hast an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) das Fach Illustration studiert. Die HAW ist ja seit langem bekannt als eine der wenigen Ausbildungsstätten im Bereich Illustration. Weshalb hast du dich für diesen Fach entschieden?

Verena Braun: Ich war super aufgeregt, als in der “Brigitte Young Miss” (!!) im Jahre 1999 gelesen habe: in Hamburg kann man Illustration als eigenes Fach studieren. Das war genau was ich wollte!

Wie kam es das du Comicgeschichten zu einem deiner Schwerpunkte gewählt hast?

Ich wollte ursprünglich Kinderbuch-Illustratorin werden, mit Comics bin ich erst in den Kursen von Anke Feuchtenberger in Berührung gekommen. Meine Comic-Leseerfahrung beschränkte sich bis dahin auf Asterix, Mickey Maus und Pferde-Heftchen (lacht). Bei Anke habe ich Sascha, Arne und andere Comic-Leute kennen gelernt, und bin ab der 3. Ausgabe bei der Anthologie ORANG dabei gewesen – ich kam wie die Jungfrau zum Kinde eben!

Nun hast du mit der Comic-Geschichte rund um die verfluchte Westernstadt Adamstown ein umfangreiches Werk gezeichnet. Kannst du kurz die Ausgangssituation der Geschichte umschreiben?

Um die Ausgangssituation der Geschichte zu erzählen, beschreibe ich am besten MEINE Ausgangssituation als Zeichnerin: Es gab vier Figuren, die ich schon in früheren Geschichten eingeführt habe, es gab ein Foto von Wim Wenders und es gab den Plan, einen Western zu machen. Meine Figuren sind wie Schauspieler, die in jedem neuen Comic eine Rolle spielen, gleichzeitig aber auch sie selbst sind. Und so habe ich mit einem Pferd, einem Igel, einer Katze und einem Vogel folgende Story entwickelt: Diese vier kommen nach Adamstown, eine von Menschen bewohnte Stadt, auf der ein alter Indianerfluch lastet: Hier können nur Tiere bauen. Und genau deshalb sind sie gekommen, sie sollen im Auftrag der Regierung eine Bank bauen. Dann nämlich erlischt der Fluch. Tiere sind allerdings wegen alter Streitigkeiten in Adamstown nicht geduldet, so muss der Bankbau heimlich vonstatten gehen. Von Anfang an geht alles schief, die Gruppe wird auseinander gerissen, und jeder muss sich alleine durchschlagen, und schlimmer noch, die vier werden zu Konkurrenten. Gleichzeitig strebt die grausame Johnson-Bande die Herrschaft über Adamstown an. Es ist eine dicht bevölkerte Geschichte, viele Parallelhandlungen laufen ab. Adamstown ist ein riesiges Knäuel aus Verwirrungen, aus denen sich meine Leute befreien müssen.

Das Zeichnen der ganzen Bilder ist ja die eine Seite bei der Erstellung einer Comicgeschichte. Die andere ist sich eine gute Story mit spannenden Charakteren auszudenken. Hier musst du Zeichnerin und Schriftstellerin sein.

Ich zeichne und erzähle gleichzeitig, indem ich die komplette Erzählung als Storyboard durchzeichne. Es entsteht so eine Interaktion mit den Figuren, die die Geschichte vorantreibt. Das finde ich am interessantesten am Comiczeichnen: meine eigene Überraschung, die aus dem Bild heraus entsteht. Ich schreibe gerne Dialoge, ich mag es, wenn ein Wort das andere gibt. Man ist als Comiczeichner nicht nur Zeichner und Schriftsteller, sondern auch Schauspieler und Regisseur (und Bühnenbildner etc.)

Das Buch wird rund 130 SW-Seiten mit einen vierfarbigen Umschlag haben. Wie lange hast du an dem Comic gezeichnet?

Die Entwicklung der Story hat etwa fünf Jahre gedauert, wobei ich immer wieder lange Pausen und andere Projekte zwischendurch gemacht habe. Das Zeichnen selbst hat dann auch noch mal etwa drei Jahre gedauert, auch, weil ich mich nicht direkt entscheiden konnte, wie die Geschichte aussehen sollte. Ich habe viel ausprobiert.

Auf deiner Webseite gibt es ein PDF mit weiteren Kapiteln als rohe Zeichnungen. Hier fällt auf, dass der Text noch fehlt (bzw. schlecht lesbar ist und nicht für den Leser gedacht ist) und dass es einige blaue Hilfslinien gibt. Welche Bedeutung haben diese Linien?

Die blauen Linien sind einfach die Vorzeichnungen für meine Tuschezeichnungen, die kann ich in Photoshop leicht entfernen, ohne viel radieren zu müssen. Den Text habe ich vorläufig in die Sprechblasen geschrieben, damit ich beim Zeichnen weiß, was die Figuren sagen, und ich ihnen so den passenden Ausdruck geben kann.

Wird das Lettering (die Beschriftung) von einem Letterer übernommen oder machst du das selber?

Das Lettering mache ich selber. Ich bin froh, dass ich damit schon fertig bin (lacht).

Die Geschichte über Adamstown willst du wie bereits die Geschichte „Die Station“ in Eigenregie veröffentlichen. Im Kreativbereich ist es schon üblich, dass man mit seinen Produkten selber zur Druckerei geht und sie vertreibt. Welche Vor- und Nachteile siehst du für dich im Independent-Publishing?

Ich hätte schon gerne einen Verlag für das Projekt gehabt, aber die Geschichte wird allgemein als zu wenig kommerziell beurteilt, es lohnt sich also nicht für die kleinen (Comic)verlage, die darauf achten müssen, dass sie kein (allzu großes) Minusgeschäft machen. Als Selbstverleger gehe ich dieses Risiko ein, weil ich ja vor allem will, dass mein Werk das Licht der Welt erblickt! Dafür bin ich aber auch niemandem verpflichtet und kann alles nach meinen eigenen Vorstellungen gestalten. Ich glaube, dass ich mit meinem Comic einen unkonventionellen Weg gehe, und deshalb passt das Selfpublishing ganz gut zum Projekt. Ich habe kein griffiges, leicht verkaufbares Thema, sondern ich kreiere eher so ein Gesamtkunstwerk aus Buch und Performance. Denn was ihr noch nicht wisst: Adamstown ist auch ein Bühnenstück! Schon im Buch singen die Figuren nach guter alter Westernfilm-Manier den einen oder anderen Song. Und so wird es auch in der Adamstown-Liveshow zugehen.

Du planst die Finanzierung der Buchproduktion über Crowdfunding. Wie bist du auf diese Art der Finanzierung gestoßen? Welche Vorstellungen hast du …?

Ich habe selber schon einige Crowdfunding-Projekte unterstützt und finde, dass ist eine super Möglichkeit, sowohl Geld zu sammeln, als auch auf sein Projekt aufmerksam zu machen. Für meine Sache ist es im Grunde eine Vorbestellung des Buches. Denn das wird natürlich eines der Dankeschöns sein, die es für die Unterstützung gibt. Und Original-Gouachen aus meiner umfangreichen Produktion, oder eine Wohnzimmer-Performance. Wer mein Projekt unterstützt, lernt mich auch als Person kennen, es ist also ein direkter Kontakt zwischen Produzenten und Konsumenten. Ich mag das.

Weitere Informationen:

verenabraun.de

Das Interview führte G. Sahler im Frühjahr 2015 und erschien ursprünglich in der Blechluft 8 (2015).