Zeichnen und Schreiben als Denkwerkzeug
Das wissens- oder erkenntnisgenerierendem Zeichnen wird Epistemischem Zeichnen genannt. Damit kann Zeichnen auch als Denkwerkzeug verwendet werden. In diesem Exkurs geht es aber nicht ums Zeichnen, sondern um Schreiben als Lern- und Denkmethode. Das Epistemische Schreiben oder auch als Epistemisch-heuristisches Schreiben bezeichnet. Schreiben als Mittel zur Erkenntnisgewinnung und zur Reflexion. Dazu zunächst ein paar allgemeine Gedanken, die ich aus meiner Masterarbeit „Schreiben als Denkwerkzeug und Partizipationsmethode“. Danach geht es speziell um Schreiben als Methode beim Nature Journaling.
Der Erwachsene als Schreibnovize
Das Denkwerkzeug Schreiben wird von vielen Menschen kaum als solches angesehen und nicht in wirksamer Weise eingesetzt. Als eine Ursache für diese Entwicklung sieht Scheidt die Schule, die uns den Spaß am Schreiben genommen habe, so dass wir das Schreiben als vielversprechendes Werkzeug den professionellen Schreibern (Journalisten, Schriftstellern, Dichtern) überlassen (Brugger 2004, S. 26). Illich und Sanders (1988) ermittelten einerseits die moderne Erziehung – durch Zwangsalphabetisierung – und andererseits die moderne Kommunikation als Bedrohung der Lese- und Schreibkompetenz. Doch sie sehen ein Paradox, denn „so nachteilig die Nebenwirkungen der Zwangsalphabetisierung für die meisten unserer Zeitgenossen auch waren, bildet die Fähigkeit lesen und schreiben zu können, das einzige Bollwerk gegen die Auflösung der Sprache in ‚Informationssysteme’“ (Illich/Sanders 1988, S. 9). Um eine „Kommunikation ohne Sinn und Bedeutung“ (ebd., S. 128) zu verhindern, sei von Lesern und Schreibern nicht nur nach dem „Wie“ zu fragen, sondern auch nach dem „Warum“.
Nach Schule und Ausbildung wird von vielen Menschen darauf verzichtet, das Schreiben von längeren Texten weiterhin zu praktizieren. Im Extremfall entwickeln sich diese nicht schreibenden Menschen zu funktionalen Analphabeten, die kaum noch schreiben und den Sinn von längeren Texten verstehen können. Für den Großteil der Bevölkerung, stellt Lesen und Schreiben grundsätzlich kein Problem dar, dennoch wird das Schreiben und Veröffentlichen den Experten überlassen. Für Schreibinteressierte, die ihre Texte einer Öffentlichkeit vorstellen möchten, sei es in mündlicher oder schriftlicher Form, gibt es zahlreiche Barrieren, seien es auf der einen Seite die geringe Anzahl von Schreibgruppen oder auf der anderen Seite die technischen und distributiven Hürden, die verhindern, dass die Texte in eigener Regie gedruckt und veröffentlicht werden können.
Eigler ist der Ansicht, dass den vielen Nichtschreibern das Schreiben nicht nur „als Mittel der Kommunikation“ fehlt, „was sie in eine Außenseiterrolle, wenn nicht an den Rand der Gesellschaft drängt, sondern mit dem Fehlen von Schreiben fehlt auch die Möglichkeit – und der Zwang, ihr Wissen immer wieder durcharbeiten zu müssen, was zu einem flexiblen Umgang mit dem eigenen Wissen, zu einem neuen Ordnen und Strukturieren führt, und die Verfügbarkeit erhöht“ (Eigler 1990, S. 110). Schreiben kann demnach von vielen nicht als Denkwerkzeug genutzt werden.
Schreibende Kinder oder erwachsene Schreibnovizen, die im Schreiben ungeübt sind, schreiben zunächst assoziativ. Typisch dafür ist eine „‚what-next’-Strategrie, die sich in der Reihung ‚und dann … und dann’ ausdrückt“ (Fix 2006, S. 52). Der geübte Schreiber beachtet Schreibkonventionen, bezieht die Leser mit ein und findet seinen eigenen Schreibstil. „Schreiben zur Erkenntnisgewinnung als Mittel des Denkens“ (ebd.) stellt die höchste Stufe dar, wobei hier unklar ist, ob „nur professionelle Schreiber das Schreiben als Mittel zur Erkenntnisgewinnung“ (ebd., S. 54) einsetzen können oder ob dies auch Schreibnovizen lernen können. Fix vermutet, dass viele Erwachsene diese letzte und höchste Stufe nicht erreichen, da sie zwar medial schriftlich agieren würden, aber in ihren Strukturen bei einer mündlichen Sprachverwendung bleiben würden (vgl. Fix 2006, S. 55).
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