Welche Erfahrungen machen andere mit Nature Journaling? Hier sprechen Nature Journalerinnen und Journaler darüber wie sie zum Nature Journaling gekommen sind, wie sie ihre ersten Seiten erstellten und wie sie nun Journalen oder welche Materialien sie verwenden. Hier erhältst Du Tipps aus erster Hand: Inside Nature Journaling.

Andreas Stettner ist Nature Journaler, Urban Sketcher mit einer langen beruflichen Erfahrung als Mediengestalter Print.
Andreas, die Seiten die ich von Dir kenne, beinhalten tolle Zeichnungen. Wie ist Deine Biografie als Zeichner? Und wie bist Du auf Nature Journaling aufmerksam geworden?
Als Kind und Jugendlicher habe ich gerne und viel gezeichnet. Mir war es immer ein Bedürfnis, mich kreativ zu beschäftigen. Es lag also nahe, dass ich einen gestalterischen Beruf ergreife und so bin ich Mediengestalter in Fachrichtung Print geworden. Da ich dort zu 100% digital arbeite, habe ich zum Ausgleich in meiner Freizeit immer nach handwerklichen Hobbys gesucht. Ich habe Holz geschnitzt, Bänder gewebt, Kleidung genäht, Leder bearbeitet und einiges mehr. Vor fünf Jahren habe ich Papier und Bleistift wieder zur Hand genommen und festgestellt, dass das Zeichnen, mit der Hand auf Papier, für mich ein perfektes Gegengewicht zur Computerarbeit ist. Im Internet bin ich auf die Urban Sketcher Szene gestoßen und freue mich seitdem über das Zeichnen mit gleichgesinnten. Nach einem Urban Sketch im Naturhistorischen Museum in Kiel ist mir bewusst geworden, dass mir das Zeichnen organischer Strukturen besonders gut gefällt. Bei der Recherche zum Zeichnen von Natur konnte ich feststellen, dass es auch eine schnell wachsende Community von Nature Journalern gibt und so habe ich nach dem nächsten Club in meiner Nähe gesucht und bin in Kiel fündig geworden. Seitdem treffe ich mich regelmäßig mit diesen großartigen, netten Menschen zum gemeinsamen Journaln und Plaudern.
Du bist nun regelmäßig bei Treffen des Kieler Nature Journal Clubs. Wie empfindest Du den Unterschied zum Alleine-Zeichnen?
Ich liebe es bei den Clubtreffen in der Gruppe zu zeichnen und sich auszutauschen. Und ich liebe es alleine zu zeichnen.

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Andreas Stettner).






(Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von Andreas Stettner).
Wie war Dein Bezug zur Natur vor Nature Journaling?
Ich war schon immer gerne draußen und habe mich für die Abläufe in der Natur interessiert. Außerdem gibt es mir viel Energie, wenn ich mich bei Wanderungen oder beim Kanu fahren in der Natur bewege.
Du bist auch mit den Urban Sketchers in Kiel unterwegs. Lässt sich Urban Sketching gut mit Nature Journaling verbinden? Wo siehst Du Unterschiede?
Beim Nature Journaling und Urban Sketching sehe ich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Beide versuchen durch genaues Hinsehen einen Moment in einer Zeichnung und mit Worten festzuhalten. In vielen Urban Sketches sind Bäume, Büsche, Wolken, Tiere und Menschen zu sehen. Und da wir Menschen ja auch ein Teil der Natur sind, ist eine Skizze von Menschen auf einem Marktplatz gewissermaßen eine Verhaltensstudie des Homo Sapiens in seiner gewohnten Umgebung.
Wie sieht Nature Journaling bei Dir in der Praxis aus. Kannst Du uns ein Beispiel schildern, von der Beobachtung bis zur Aufzeichnung im Journal?
Ich versuche täglich zu zeichnen, neben Arbeit und Familie bleibt aber meist nur ein Zeitfenster am frühen Morgen übrig. Draußen in der Natur zu zeichnen wäre dann also nur in ein paar Wochen im Sommer möglich. Bei mir hat sich daher eine Routine an meinem Zeichentisch etabliert. Die Idee zu einer Journalseite ergibt sich meist aus einer Beobachtung in der Natur. Ich versuche dann Informationen, Originalexemplare oder Bildmaterial zu sammeln und überlege mir, wie ich damit eine spannende Seite gestalten kann. Wenn ich eine grobe Idee habe, skizziere ich sie mit ein paar Strichen auf ein Blatt Papier und schaue, ob es funktioniert. Wenn alles passt, lege ich los.
Außerhalb der Routine versuche ich aber auch vom lebenden Objekt zu Zeichnen. Dann sind die Seiten auch nicht so stark durchgeplant wie am Zeichentisch.

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Andreas Stettner).
Was reizt Dich an der Naturforscher bzw. wissenschaftlichen Seite von Nature Journaling?
Seit Kindesbeinen interessiere ich mich für die Natur. Je mehr Einblick ich erhalte, desto fantastischer wird sie für mich. In der Natur gibt es die unglaublichsten Wesen ob in der Pflanzen- oder Tierwelt. Ich habe am meisten Freude daran darüber zu Staunen, mich überwältigen zu lassen, von der Schönheit der Natur und was sie alles hervorbringt. Einen wissenschaftlichen Ansatz im ernsthaften Sinne verfolge ich dabei glaube ich nicht. Es ist eher eine Dokumentation von dem was ich wahrnehme und dem Moment.
Welche Rolle spielt die Artenbestimmung bei dir? Wie gehst Du vor?
Wenn ich für eine Journalseite recherchiere, versuche ich möglichst genau zu sein. In dem Moment befasse ich mich auch sehr intensiv mit einem Objekt. Ich bin allerdings kein Biologe, daher mache ich das nur nach bestem Wissen und Gewissen.
Für mich steht die Artenbestimmung beim Nature Journaling aber auch nicht so sehr im Vordergrund. Für mich geht es eher darum etwas genau zu beobachten, es kennen zu lernen zu staunen und die Beobachtungen mit Hilfe von Zahlen, Worten und Zeichnungen in einem Journal festzuhalten.

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Andreas Stettner).
Die Materialfrage ist immer wieder ein Thema bei Einsteiger:innen. Da geht es darum, welche Stifte, Skizzenbücher oder Pinsel sind geeignet? Welche Tipps kannst Du da geben? Mit welchen Materialien arbeitest Du?
Ich habe einmal gelesen, dass das beste Material ist dieses, das du zur Hand hast. Dem schließe ich mich gerne an. Im Grunde braucht man nicht mehr als einen Bleistift und ein Blatt Papier. Bei allem weiteren versuche ich mein Material so nachhaltig bzw. ressourcenschonend wie möglich zu halten. Ich benutze z.B. Füller oder Zeichenfedern statt Fineliner, da ich sie aus einem Glas Tinte nachfüllen kann bzw. in Tusche tauche. Bei den Bleistiften benutze ich Druckbleistifte oder Fallmienenstifte da ich dort nur die Mienen ersetzen muss und die Stifte Jahrzehnte halten. Ich versuche also das Holz, dass zusätzlich auch noch lackiert ist, einzusparen.

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Andreas Stettner).
Bei den Farben habe ich mich für hochwertige Aquarellfarben aus Tuben entschieden. Sie sind mit Wasser immer wieder anzulösen, daher gibt es keine Reste, die entsorgt werden müssen. Bei den Pinseln gibt es mittlerweile echt gute Synthetische alternativen zu Echthaarpinseln. Daher verwende ich eher diese. Mir reicht eine kleine Auswahl von vier bis fünf Lieblingspinsel. Beim Papier teste ich mich leider noch immer, auf der Suche nach einer guten Preis-Leistung, durch verschiedene Hersteller und Qualitäten.
Im letzten Mai hast Du bei Euch im Naturschutzgebiet die Veranstaltung „Was seh‘ ich da genau?“ durchgeführt. Was habt ihr da gemacht und wie waren die Reaktionen der Teilnehmer (auf Nature Journaling)?
Trotz des Dauerregens an diesem Tag war es eine gelungene Veranstaltung mit vielen Teilnehmern. Durch den Regen konnten wir uns nicht so frei im Naturschutzgebiet bewegen, wie ich das geplant hatte, wir haben aber Unterschlupf in einem Zelt gefunden, das ich vorsorglich aufgestellt hatte.

Nach einer Einführung zum Thema Nature Journaling und Material habe ich mit den Teilnehmern eine „Blindzeichnung“ gemacht. Als nächstes habe ich anhand von Beispielen etwas über Licht und Schatten, Darstellung des Motivs und Seitengestaltung erzählt. Mit Hilfe von Ausdrucken mit farbigen Markierungen habe ich versucht zu zeigen, wie man geometrische Formen in Objekten sucht, um Proportionen leichter zu sehen bzw. Stützpunkte zu finden, die das Zeichnen einfacher machen. Als nächstes habe ich Fundstücke, wie Federn, Schneckenhäuser, Muscheln, Teile von Krabben usw. aus meinem Fundus zur Verfügung gestellt, die die Teilnehmer dann Zeichnen konnten.
Zur Veranstaltung habe ich nur positive Resonanz bekommen. Ich hoffe, die Teilnehmer hatten viel Spaß und konnten gute Eindrücke mitnehmen.
Danke Andreas für das Interview, Deine Bilder und den Einblick in Deine Arbeitsmethoden. Zum Nachdenken hat mich Dein Hinweis auf die Nachhaltigkeit bei den Zeichenmaterialien gebracht.