Über die Jahre erschienen einige Sachbücher, die Leserinnen über das geheime bzw. das geheimnisvolle Leben von Pflanzen, Insekten, Bäumen und Pilzen aufklärten. Es sind Sachbücher, die sich an ein breiteres Publikum richten, an der Natur interessierte Leserinnen. Robert Hofrichter hatte den Vorsatz gehabt „in einem hoffentlich unterhaltsamen Sachbuch über Pilze eine möglichst allgemeinverständliche Sprache“ zu verwenden, wenn es auch nicht immer leicht sei („Das geheimnisvolle Leben der Pilze“, S. 69)
Eine Voraussetzung für die Lektüre dieser Bücher ist demnach nicht ein Studium in Biologie, sonstigen Natur- oder Geo- oder Forstwissenschaften. Offenbar gibt es einen Bedarf dem Laien dieses „geheime“ Leben näher zu bringen. So schaffen es diese Bücher auch in die Buchhandlungen und nicht nur in wissenschaftliche Bibliotheken. Eine feine Sache finde ich.
Der Biologe Stefano Mancuso ist Professor für Pflanzenkunde an der Universität in Florenz. Sein Fachgebiet ist die umstrittene Pflanzenneurobiologie. Alessandra Viola ist Wissenschaftsjournalistin.
Mancuso versucht in dem Buch die Pflanzenwelt in das ihr gebührende Licht zu rücken. Es kann ja auch nicht sein, dass wir weiterhin die Pflanzen als dumme, vor sich hin vegetierende, Dinge betrachten. Pflanzen sind ja keine Steine, nur weil sie „sesshafte Organismen sind, die sich nicht von der Stelle rühren“ (S. 8), sondern wie wir Lebewesen. Es ist nicht nur der Wind der sie hin und her bewegt, sondern „sie wachsen zum Licht, weichen Gefahren aus oder neigen sich in Richtung Kletterhilfe.“ (S. 40) Die Autoren stellen dar, wie wir zu unserer Denkweise über Pflanzen gekommen sind, sie blicken zurück bis in die Antike.
An einigen Stellen des Buches dachte ich mir, dass wir mit unserem Wissen und Denken über die Pflanzen noch nicht viel weiter gekommen sind. Noch immer hängen wir in alten Denkweisen fest: „Die Biologie, so kann man sagen, ist dem vorkopernikanischen Denken weiter verhaftet. Sie glaubt, der Mensch sei das wichtigste Lebewesen, um das sich alles dreht.“ (S. 42/43) Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass „99,5 Prozent der gesamten Biomasse auf der Erde“ (S. 43) die Pflanzen zur Verfügung stellen. Und sie ermöglichen uns erst das Leben auf der Erde, denn „ohne Fotosynthese [der Pflanzen] hätte sich der Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen, nie gebildet. Pflanzen stehen auch am Anfang unserer Nahrungskette und ihnen verdanken wir … unsere Energieressourcen, die fossilen Brennstoffe …“ (S. 9) Trotzdem werden die Pflanzen weiterhin „völlig unterschätzt, obwohl unser Überleben und unsere Zukunft auf der Erde genau davon abhängen.“ (S.30) Verwundert bin ich daher, dass wir als Menschen immer noch so wenig über die Pflanzen wissen, sie wie mechanische Dinge oder einen leblosen Stein betrachten. Die Kommunikation mit Pflanzen ist nun wirklich nicht so einfach, aber als intelligente Wesen, sollten wir doch versuchen sie zu verstehen, wo sie als Nutzpflanzen doch unsere Grundnahrungsmittel (Mais, Reis, Weizen, Kartoffeln, Soja etc.) und zahlreiche Rohstoffe für die industielle Produktion liefern.
Bücher wie „Die Intelligenz der Pflanzen“ sind erst der Anfang das Wissen über die Pflanzenwelt zu dokumentieren. Die Wahrheit über das wirkliche Wesen Pflanze, so scheint es mir, scheint noch im dichten Nebel versteckt zu sein. Jetzt schon von „intelligenza“ bei Pflanzen zu reden, geht einigen Kritikern des Buches deutlich zu weit. Sehen, hören, fühlen, kommunizieren, denken und Entscheidungen treffen – das können wir Menschen (und die Tiere), aber den Pflanzen wird dies abgesprochen. Und gerade dies, also sehen, hören, fühlen, kommunizieren, denken wollen die Autoren den Pflanzen zusprechen.
Kritiker werfen diesen Art von Büchern teilweise die Verwendung von Wörtern wie „Familie“ und „Verwandtschaft“ bei Pflanzen vor. Ein Satz wie „Pflanzen können nicht nur zweifellos Verwandte erkennen, sie sind ihnen auch überaus freundlich gesonnen“ klingt provokativ. Wie sollen Pflanzen ihre Kinder, Eltern oder Enkel erkennen? Logischerweise sind dies Metaphern, um mit unserer Sprache, sich ein wenig den Pflanzen als Lebewesen annähern zu können. Wenn man sich aber klar macht, „dass das eigentliche Ziel des Lebens die Verteidigung des eigenen Erbguts ist [, ist] … jede Konkurrenz mit engen Blutsverwandten nichts als Energieverschwendung.“ (S. 92/93) Ich denke so lässt sich doch verstehen, was mit der Metapher Verwandtschaft hier gemeint ist.
Wir sehen die Pflanzen zumeist nur als Lebewesen über der Erdoberfläche. Die Wurzeln betrachten wir als Beiwerk, dass die Pflanze in der Erde verankert, würde sie doch sonst vom Wind weggetragen. Klar wissen wir, dass die Pflanzen über die Wurzeln Wasser und Nährstoffe aufnehmen. Aber sonst? Überhaupt ist die Wurzelökologie noch eine Welt für sich, mit denen sich auch nicht all zu viele Forscher zu beschäftigen scheinen (vgl. aber Bücher wie „Wurzelatlas“ und „Pflanzenwurzeln“ oder Forscherinnen wie Lore Kutschera, Erwin Lichtenegger oder Monika Sobotik, Webseite: wurzelforschung.at). Spannend finde ich auch das, die „Kommunikation zwischen Pflanzen“ über „unzählige chemische Moleküle in Luft oder Wasser abläuft“ (S. 90) und sie sogar mit Insekten in Kontakt treten.
In einer größeren Buchhandlung auf der Weender Straße in Göttingen gibt es auf der ersten Etage drei Bereiche in denen man Bücher, die sich im weitesten Sinne mit Natur beschäftigen, finden kann. Hier wäre zuerst der Bereich mit populärwissenschaftlicher Literatur. Dort finden sich Bücher, die sich wissenschaftlichen Themen widmen, aber an ein breites Publikum gerichtet sind. Dann gibt es in einer ganz anderen Ecke der Buchhandlung einen Bereich mit Garten- und Naturbüchern. Hier fand ich auch alle Bücher von Peter Wohlleben, aber auch Joe Harkness‘ „Bird Therapy“ oder einen unglaublich dicken Insektenführer sah ich dort. In einer anderen Ecke, direkt neben den Fach- und Lehrbüchern für Mediziner, waren Fach- und Lehrbücher für Forst- und Landwirte, wo auch ein paar Bücher zur Biologie standen. Alle drei Bereiche waren räumlich getrennt, wohl weil die Buchhändlerinnen dachten, dass das Zielpublikum unterschiedlich sei. Vielleicht ist dies auch so. Der Leser der sich für die Natur interessiert, beispielsweise Tiere und Pflanzen bestimmen will, die er bei einem Spaziergang gesehen hat, möchte nun nicht unbedingt detailliert wissen, wie ein Wald bewirtschaftet wird (oder vielleicht heute doch?). Peter Wohllebens „Das geheime Leben der Bäume“ vermischt die Bereiche etwas. Aus seiner Sicht als Förster schreibt er einerseits darüber, weshalb der Wald in dem Zustand ist wie er nun ist und was man anders machen könnte, und andererseits baut er in seine Texte neuere Erkenntnisse der Wissenschaft ein, die versuchen das Ökosystem Wald näher zu erklären. Letzteres schließt sich inhaltlich an die Forschungen von Stefano Mancuso an. „Die Intelligenz der Pflanzen“ (2013/dt. 2015) und „Das geheime Leben der Bäume“ (2015) erschienen in der gleichen Zeit. Torben Halbes „Das wahre Leben der Bäume“ erschien 2017 als Antwort auf Wohllebens Buch, d.h. ohne „Das geheime Leben der Bäume“ hätte es „Das wahre Leben der Bäume“ nie gegeben. Die Antwort von Halbe entstand, weil offenbar Teile der Forstwissenschaft meinte die Aussagen von Wohlleben geraderücken zu müssen, bevor die Leser von Wohllebens Buch weiter auf falsche Fährten gelockt würden.
Im Wikipedia-Artikel zum Autor Peter Wohlleben wird in der Kritik erwähnt, dass Wohlleben sich wohl an „The Secret Life of Plants“ (gemeint ist sicher Peter Tompkins / Christopher Bird: „Das geheime Leben der Pflanzen“) orientieren würde. Ich hingegen denke, dass man sich evtl. beim Titel an diesem Buch und ähnlichen orientiert hat, inhaltlich aber eher an den Forschungen von Stefano Mancuso und Kolleginnen.
Aber noch mal zurück zu den drei Regalen in der Göttinger Buchhandlung. Wohllebens Buch „Das geheime Leben der Bäume“ stand bei den Garten- und Naturbüchern und bekam vom weit entfernten Regal der Forst- und Landwirte quasi eine Antwort. Da ich aus beiden Büchern lernen wollte, ließ ich mich gerne auf das „geheime“ und auch auf das „wahre“ Leben der Bäume ein.
Der Autor Robert Hofrichter ist Zoologe und Biologe. Sein Pilzbuch ist kein Bestimmungsbuch, sondern es geht um das Lebewesen Pilz an sich. So erläutert Hofrichter schon früh im Buch die Partnerschaft zwischen Pflanzen und Pilzen, die man Mykorrhiza nennt (vgl. Mancuso, S. 95, Wohlleben, S. 50f.). Bei dieser Symbiose „kommen die Fäden des Pilzes bis in die Zellen der Wurzelrinde des Pflanzenpartners“ (Endomykorrhiza) (S. 15). Mit Strigolactonen, Pflanzenhormonen, werden die Pilze zur den Pflanzenwurzel gelockt. Die Pflanzen erhalten über die Pilze eine bessere „Versorgung mit Phosphaten, weiteren Nährstoffen und Wasser aus dem Boden“ und der Pilz „bekommt seinen Anteil am Zucker, den die Pflanze durch Photosynthese erzeugt“. (S. 26) 90 Prozent der Pflanzen sollen diese Partnerschaft mit den Pilzen eingehen.
Hofrichter erläutert, dass Pilze früher zu den Pflanzen gezählt wurden. Es sei vielen Menschen bis „heute nicht klar, dass unsere Welt mit mehr als nur zwei Grundtypen von Lebewesen bevölkert ist. Sie meinen, dass Pilze so etwas wie urtümliche Vorfahren der Pflanzen sind. Und so stand es ja lange Zeit auch in den Lehrbüchern der Botanik.“ (S. 17) Aber Pilze seien den Tieren näher als den Pflanzen. Die Pflanzen ernähren sich über die Photosynthese selber, aber die Pilze müssen wie die Tiere fressen. Pilze betreiben keine Photosynthese. Die Pilze waren vor den Pflanzen auf der Erde und haben den Pflanzen den Landgang überhaupt erst ermöglicht (S. 18, S. 36).
Des Weiteren spannend finde ich das Kapitel „Die Evolution der Pilze und ihre Erforschung“ (ab S. 69). Robert Hofrichter schildert hier den langen Weg bis die Pilze als eigene Lebensform anerkannt wurden und sie nicht mehr als „künstliche Wohnungen von Insekten“ (Friedrich Wilhelm Weis im 18. Jahrhundert) oder „Produkte verwitternder oder gährender Pflanzenteile und bloße Spiele der Natur seyen“ (Georg Friedrich Märklin), sondern seit 1969, nach Einteilung (vgl. „Fünf Reiche“/“five kingdom taxonomic“) durch den amerikanischen Botaniker und Klimatologe Harding Whittaker als Pilze (Fungi) neben den Tieren (Animalia), den Pflanzen (Plantae), den Einzellern (Protista) sowie den Mikroorganismen (Monera) stehen (S. 79).
Wie Eingangs erwähnt ist „Das geheimnisvolle Leben der Pilze“ kein Bestimmungsbuch. Dennoch geht Hofrichter auf die Bestimmung von Pilzen ein. Wobei er dies kritisch betrachtet. Es geht ihm um das Nichtwissen der Laien und die Gefahren, die sich durch eine Verwechslung ergeben können und die „brachiale Weise“ mit der heute wie wild Kofferraumladungen von Pilzen gesammelt werden, die dann per Schwarmwissen von anderen Laien („die vielleicht nur geringfügig mehr wissen als man selbst“, S. 122) identifiziert werden sollen. Hofrichter erwähnt den Mykologen und Buchautor („Illustriertes Lexikon der Pilze“) Ladislav Hagara, der schrieb, dass „mutige Nichtwisser in der Lage sind, jeden beliebigen Pilz mit jedem anderen beliebigen Pilz zu verwechseln“ (Zitat auf S. 121)