Im ersten Kapitel beschreibt Josef Settele ein Schreckenszenario – den Worstcase – Bäume werden nicht mehr bestäubt, Fleisch wird im Labor gezüchtet, der Wald darf nicht betreten werden, weil man sich Viren einfangen könnte oder von einem vom Borkenkäfer zernagten Ast erschlagen werden könnte. Dieser würde aber so nicht Realität werden. Aber von einem „Puh, Glück gehabt“ kann dann keineswegs gesprochen werden, denn auf den nun folgenden 300 Seiten, schildert der Autor wie düster es für die Natur aussieht.
Wir stehen aus Sicht des Buches in einer dreifachen Krise, einer Triple Krise aus 1) Pandemien 2) Klimawandel und 3) Artensterben (in der Reihenfolge wird die Triple Krise derzeit behandelt).
Allerdings kann das Thema Pandemien in diesem Buch nur angerissen werden. Pandemien werden in den Zusammenhang mit der Zerstörung der Umwelt gebracht und „je mehr der Mensch in bis dahin unberührte Natur vordingt und sie ausbeutet, desto mehr kommt er mit Viren in Kontakt, denen er zuvor nie begegnet ist.“ (S. 87) Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Mensch übertragen werden, sog. Zoonosen, wie BSE (Rinderwahn), H5N1 (Vogelgrippe), SARS (severe acute respiratory syndrome coronavirus type/Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) oder SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2, Krankheit: Covid19, coronavirus disease 2019) sind zunehmend eine Gefahr, die den Menschen schaden können.
Der Klimawandel, den wir Menschen durch die Industralisierung seit dem 19. Jahrhundert ausgelöst haben, bedeutet ein immer schnelleres Aufheizen der Atmosphäre. Die Folgen, also steigende Temperaturen, Anstieg der Meeresspiegel, Auftauen des Permafrost, Dürren und Extremwetter (In Europa erlebten wir gerade Dürrejahre von 2018 bis 2020 sowie Stark- bzw. Dauerregen-Ereignisse wie Mitte Juli 2021) sowie Einfluss auf das Artensterben, sind allseits bekannt. Oft sind es nur Details die uns den Teufelskreis dieser Krise vor Augen führt.
Wenn wir von Bestäubern reden, dann denken wir zunächst an die Honigbienen und vergessen Wildbienen wie die Hummeln. Hummeln vertragen die zunehmenden Hitze nicht und „verlieren somit ihre Lebensräume“ (S. 195) Aber als Bestäuber sind die Hummeln genauso wichtig wie die domestizierten Honigbienen. Hummeln können Blüten bedienen, auf den Bienen nicht landen können oder ihr Rüssel zu kurz ist oder sie wegen kühler Witterung in ihrem Stock bleiben (S. 160).
Drittes großes Thema ist der Artenschwund bzw. härter ausgedrückt das Artensterben. Von den geschätz 7 Millionen Tierarten sind wohl 5 bis 6 Millionen Insekten. Die Insekten werden von uns Menschen aber zumeist als Plagegeister (oder Schädlinge) betrachtet. Wer mag schon gerne Wespen, Wanzen, Kakerlaken, Fliegen oder Mücken? Settele schreibt: „Die Beliebtheit von Insekten, man muss es sagen, ist beim Normalbürger überschaubar.“ (S. 115) und „die Nachricht, alle Mücken seien Ausgestorben, würde dagegen von vielen Leuten bejubelt.“ (S. 131) Ängste (z.B. vor Stichen, Akarophobie) und die Andersartigkeit seinen die Ursachen. Auf der anderen Seite sind aber Schmetterlinge, Marienkäfer oder Hummeln gerngesehene Gäste im Garten (natürlich auch die Bienen, auch wenn sie nicht jeder gleich von „nervigen“ Wespen oder Mistbienen unterscheiden kann). Sie werden in Ruhe gelassen, wohingegen anderen „mit einem schnellen Handstreich“ der Garaus gemacht wird (S. 124)
Laut Settele fehlt es hierzulande an sich selbst überlassenen Ackerbrachen, Blühflächen aus heimischen Saatgut sowie an Pufferflächen, um die Artenvielfalt zu verbessern (S. 243). Weniger Lichtverschmutzung, d.h. künstliches Licht, das Insekten und Vögel in der Nacht in die Irre führt, am besten sogar ein dunkler Himmel in der Nacht, wäre auch ein Vorteil für die Arten.
Ein Buch, das das Wort „Krise“ in Großbuchstaben auf der Titelseite stehen hat, kann wohl kaum ein fröhliches Buch sein. Einzig der orangefarbene Schmetterling hat etwas aufmunterndes an sich (wenn er nicht gerade versucht aus dem Bild zu fliehen). Beim Zuklappen des Buch kann man nur sagen: Die Situation ist ernst.
Prof. Dr. Josef Settele arbeitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und ist Professor für Ökologie an der Universität Halle-Wittenberg.