
Welche Erfahrungen machen andere mit Nature Journaling? Hier sprechen Nature Journalerinnen und Journaler darüber wie sie zum Nature Journaling gekommen sind, wie sie ihre ersten Seiten erstellten und wie sie nun Journalen oder welche Materialien sie verwenden. Hier erhältst Du Tipps aus erster Hand: Inside Nature Journaling.

René Bärje-Keßler ist Nature Journaler, Mitorganisator beim Nature Journal Club Bremen & umzu sowie Herausgeber und Autor des Magazins WildnisEcho.
René, ich freue mich, dass du etwas Zeit für mich und meine LeserInnen hast.
Heute bist du Nature Journaler und Macher des neuen Magazins „WildnisEcho“. Aber wie jeder Nature Journaler hast du auch eine Zeit vor dem Nature Journaling gehabt. Welche Bedeutung hatte Natur für dich? Was hast du in der Natur gemacht?
René Bärje-Keßler: Natur war für mich schon immer ein wichtiger Ruhepol in dieser schnellen Welt. Gerade weil ich beruflich viel Zeit vor dem Computer verbringe, war sie für mich der notwendige Ausgleich. Draußen habe ich die Möglichkeit gefunden, wieder runterzukommen, mich zu erden und Kraft zu schöpfen. Oft waren es ganz einfache Dinge – Spaziergänge, kleine Wanderungen, Zeit im Urlaub oder in der Freizeit. Es musste gar nicht spektakulär sein, allein das Draußensein hat mir schon viel gegeben.
Und das ist bis heute so geblieben. Manchmal gehe ich ganz ohne etwas hinaus, manchmal mit dem Fernglas oder der Kamera – je nachdem, was sich gerade gut anfühlt und was ich brauche. Mit der Zeit hat sich das allerdings verändert: ich nehme viel bewusster wahr, achte auf Kleinigkeiten, die mir früher vielleicht entgangen wären. Dadurch ist mein Naturerleben noch intensiver geworden.
Wie bist Du auf Nature Journaling aufmerksam geworden? Und wie hast du mit dem Journaling angefangen?
Eigentlich war es purer Zufall. Ich war in Bad Zwischenahn zu Besuch und hatte noch etwas Zeit, bevor mein Zug fuhr. Ohne bestimmtes Ziel bin ich in einen Buchladen gegangen – und dort fiel mir das deutsche Nature Journaling-Buch von Verena Hillgärtner in die Hände. Die Idee, Natur und Zeichnen miteinander zu verbinden, fand ich sofort spannend. Vor allem, weil es nicht um perfektes botanisches Zeichnen geht, sondern um etwas, das wirklich jeder ausprobieren kann. Gekauft habe ich es direkt, intensiver hineingeschaut dann aber erst zu Hause – und da hat es mich gleich gepackt.
Kurz darauf war ich dann beim ersten Treffen des Bremer Clubs – und seitdem habe ich mich mit dem Thema viel intensiver beschäftigt.
Wie sieht Nature Journaling bei dir in der Praxis aus? Kannst du uns ein Beispiel schildern, von der Beobachtung bis zur Aufzeichnung im Journal?
Das kann bei mir ganz unterschiedlich aussehen. Manchmal gehe ich mit einem bestimmten Thema los, das mich gerade beschäftigt – zum Beispiel habe ich schon festgehalten, wie sich aus den Blüten der Paprika die Früchte entwickeln.

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von René Bärje-Keßler)
An anderen Tagen streife ich einfach umher, lasse mich treiben und bleibe dort stehen, wo etwas meine Aufmerksamkeit fesselt. Dann setze ich mich hin, schaue genau hin und zeichne. Mal entstehen schnelle Skizzen, mal vertiefe ich mich später am Schreibtisch intensiver in ein Thema. Besonders spannend finde ich es, Zusammenhänge zu entdecken, etwa wo Namen herkommen oder wie Dinge ineinandergreifen. Diese kleinen Aha-Momente sind es, die mich am Nature Journaling so faszinieren.

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von René Bärje-Keßler)
Mit der Zeit habe ich auch begonnen, meine sogenannte Lifer-Liste zu führen. In der Hobby-Ornithologie nennt man die erste Beobachtung einer Vogelart „Lifer“. Begegne ich also einem Vogel zum ersten Mal, kommt er auf diese Liste. Die Welt der Vögel fasziniert mich sehr – deshalb habe ich irgendwann auch angefangen, Vogelstimmen zu erkennen und diese Beobachtungen im Journal festzuhalten.

Im Grunde ist es also sehr vielfältig – und genau das sage ich auch gerne Neulingen: Es gibt nicht das eine richtige Nature Journaling. Jeder darf seinen eigenen Weg finden, und der kann sich im Laufe der Zeit auch verändern. Ob man zeichnet oder einfach nur Texte schreibt – im Kern geht es um achtsames Beobachten und darum, Gedanken festzuhalten.

Du erwähntest bereits den Nature Journal Club Bremen & umzu …
Zwei Nature Journalerinnen aus der Region Bremen hatten sich bereits getroffen und den Club gegründet. Ich war das erste Mal am 3. September 2023 dabei. Wir haben uns sofort gut verstanden, und seitdem organisiere ich gemeinsam mit ihnen die Treffen. Die vierte im Bunde ist übrigens meine Tochter, die schon beim darauffolgenden Treffen mit dazu kam. Auf die beiden gestoßen bin ich übrigens über das Buch, das ich vorhin erwähnt habe. Dort stand, dass es eine Deutschlandkarte mit Clubs gibt – und der Eintrag für Bremen war gerade frisch veröffentlicht. Da habe ich gedacht: „Ich schaue einfach mal vorbei.“

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von René Bärje-Keßler)
Seitdem habt ihr schon einige Treffen durchgeführt. Wie hat sich der Club in den beiden Jahren entwickelt?
Inzwischen sind immer mehr Menschen dazugekommen, sodass wir heute eine richtig bunte und vielfältige Gruppe haben. Daraus haben sich schon schöne Bekanntschaften und sogar Freundschaften entwickelt – man freut sich jedes Mal aufs Neue auf die Treffen. Obwohl die Zahl der Teilnehmenden insgesamt gestiegen ist, bleibt es durch die wechselnde Teilnahme immer angenehm überschaubar. Neben unseren regelmäßigen Treffen gab es auch besondere Aktionen, etwa Exkursionen mit Waldbaden oder ein norddeutsches Treffen in Bad Segeberg mit Besuch der Fledermaushöhle. Für mich persönlich ist diese Gemeinschaft, die dabei entstanden ist, das größte Geschenk – dafür bin ich sehr dankbar.
Immer wieder kommen neue Menschen dazu, und wir versuchen, dem gerecht zu werden: Wir überlegen, welche neuen Orte wir erkunden können, ob wir die Formate anpassen sollten oder wie wir Neulingen den Einstieg erleichtern können.

(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von René Bärje-Keßler)
Ihr seid mit anderen Clubs vernetzt. Ist euch das wichtig?
Ob ich da für die ganze Gruppe sprechen kann, weiß ich nicht. Für mich persönlich würde ich es nicht unbedingt als „wichtig“ bezeichnen, aber definitiv als bereichernd. Man lernt neue Menschen kennen, die ein ähnliches Interesse teilen, und kommt über das gemeinsame Hobby ins Gespräch. Dieses Jahr gab es zum Beispiel ein großes bundesweites Treffen des Nature Journaling Netzwerks in Leipzig, das von vielen aus unterschiedlichen Regionen gemeinsam organisiert wurde. Ich selbst war leider nicht dabei, aber allein, dass so etwas inzwischen möglich ist, zeigt, was in den letzten Jahren entstanden ist. Solche Begegnungen eröffnen neue Perspektiven – und man trifft Menschen, die einem in ihrer Naturverbundenheit und Neugier sehr ähnlich sind.
Was würdest du Leuten raten, die einen Nature Journaling Club in ihrer Region ins Leben rufen wollen?
Ein guter Startpunkt ist auf jeden Fall das Nature Journaling Netzwerk Deutschland (naturejournalingnetzwerk.de). Dort gibt es eine Karte, auf der man sehen kann, ob es vielleicht schon einen Club in der Nähe gibt, den man zunächst einfach einmal besuchen kann. Über das Netzwerk findet auch ein reger Austausch statt, mit vielen Tipps, Hinweisen und Erfahrungsberichten aus anderen Clubs – das erleichtert den Einstieg enorm. Wenn man dann den Schritt zur eigenen Gründung wagt, würde ich empfehlen, nicht allein zu starten. Vielleicht gibt es ja schon Menschen im Umfeld, die sich ebenfalls für Nature Journaling interessieren. Auf mehrere Schultern verteilt macht es die Organisation leichter und schöner. Außerdem braucht es ein wenig Geduld: manchmal dauert es, bis die ersten dazukommen. Und nicht zuletzt lohnt es sich, den eigenen Club über das Netzwerk sichtbar zu machen – zum Beispiel durch einen Eintrag auf der Karte.
Seit 2024 gibst du das Magazin WildnisEcho heraus. Wie bist du darauf gekommen, das Magazin zu machen, und welche Erfahrungen hast du im zurückliegenden Jahr als Herausgeber von WildnisEcho gemacht?
Die Idee entstand im Rahmen meiner Ausbildung zum Naturmentor. Dort halten wir viele Erlebnisse, Beobachtungen und Ergebnisse schriftlich fest. Als ich die ersten Texte schrieb, dachte ich mir: Eigentlich schade, das nur für mich zu behalten. So kam die Idee, ein Magazin ins Leben zu rufen – kostenlos, damit möglichst viele etwas davon haben. Dahinter steckt für mich auch ein größerer Gedanke: Natur bekannter zu machen. Denn ich bin überzeugt, dass man nur schützen kann, was man kennt und schätzen gelernt hat. Insofern steckt im WildnisEcho auch ein Stück Hoffnung auf Natur- und Umweltschutz.

Der Einstieg war allerdings nicht ganz leicht. Die ersten beiden Ausgaben habe ich komplett allein produziert. Anfangs gab es auch ein Abo-Modell über Steady, doch das habe ich wieder aufgegeben – einerseits, weil es nicht so gut angenommen wurde wie gedacht, andererseits, weil ich mir selbst den Druck nehmen wollte, unbedingt liefern zu müssen. Heute erscheinen die Ausgaben einfach dann, wenn sie fertig sind – und das fühlt sich stimmig an. Umso schöner ist es, dass sich nach der zweiten Ausgabe schon drei neue AutorInnen gemeldet haben, die etwas beitragen möchten. Außerdem gibt es mittlerweile einen kleinen Onlineshop, über den die Printversion erhältlich ist. So wächst das Projekt Stück für Stück – und das macht richtig Freude.

Du suchst nach neuen Wegen bei der Beteiligung am WildnisEcho. Kann man sich einfach bei dir melden, wenn man sich beteiligen will und los geht es?
Kurz gesagt: Ja. Da bisher nur ich hinter dem Projekt stehe und kein Verlag beteiligt ist, ist alles recht unkompliziert. Wer Lust hat, kann gerne Ideen, Texte, Fotos oder Zeichnungen einbringen. Schön ist es natürlich, wenn jemand eine gewisse Freude und Fähigkeit mitbringt – sei es beim Schreiben, Zeichnen oder Fotografieren. Eine Vergütung gibt es jedoch nicht, da WildnisEcho kostenlos erscheint bzw. die Printversion lediglich die Druckkosten deckt. Aber wer Begeisterung für Natur hat und sich einbringen möchte, ist herzlich willkommen. Man kann auch selbst davon profitieren, wenn man dan nim Gegenzug seine Projekte bewerben kann. Am besten erstmal melden, dann schauen wir gemeinsam, ob es passt und wie eine Zusammenarbeit aussehen kann – ganz unkompliziert und im Austausch.
Danke für die interessanten Informationen sowie die Einblicke in dein Nature Journal. Ich bin sehr gespannt wie es mit WildnisEcho weiter.

(Zeichnung: René Bärje-Keßler)
Bitte beachtet die Links zu den Webseiten vom Bremer Nature Journal Club und von WildnisEcho.
