Lernen mit Sozialen Medien

Veröffentlicht in: Blog, Erwachsenenbildung, Weiterbildung | 0

Hallo!

heute will ich über ein erwachsenpädagogisches Thema schreiben. Das Lernen mit Hilfe von Sozialen Medien.

Ich habe 2001 das Internetforum „German New Wave“ gestartet. In diesem Forum bei Yahoo-Groups ging es um Musik in den frühen 80er Jahren. Man konnte sich dort mit anderen unterhalten und als stiller Teilnehmer nur mitlesen.

Yahoo-Groups-Logo ca. 2004

So etwas wie der „gefällt mir“-Button kam erst ein paar Jahre später bei Facebook.

Facebook-Button 2022 um „Gefällt mir“, „Kommentieren“ und „Teilen“ zu drücken.

Bei meiner Masterarbeit (2007) habe ich mich mit „Schreiben und Veröffentlichen als Denkwerkzeug und Partizipationsmöglichkeit“ beschäftigt. Daher ein paar Absätze zu Sozialen Medien aus dieser Arbeit:

>>Im Internet besteht nicht nur die Möglichkeit Texte zu lesen, zu kommentieren und zu veröffentlichen, jeder kann auch Diskussionen initiieren. Das „demokratisch-interaktive Potential des Online-Diskurses“ (Diemand / Mangold / Weibel 2007, S. 13) kann vollends in einer   „moderierten, deliberativen Eliten-Kommunikation“ (ebd.) ausgespielt werden, in der Zusammenarbeit aktiver „Bürgerinnen und Bürger, die in kleinen Akteursgruppen öffentliche Angelegenheiten besonders intensiv erörtern“ (ebd.). Diese Personen beteiligen sich aktiv im Sinne einer partizipatorischen Demokratie, in dem sie Social Software (dies sind Werkzeuge des Internet, wie Gästebücher, Weblogs, Foren, E-Mail oder Wikis, mit denen ein Online-Diskurs geführt werden kann) nicht nur schlicht zur Darstellung ihrer subjektiven Ansichten verwenden, sondern engagiert in einer Projektgruppe zusammenarbeiten, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Bei einer herkömmlichen Projektgruppe, bei der sich die Projektmitglieder von Angesicht zu Angesicht treffen, kann Social Software die Zusammenarbeit zwischen den Treffen ergänzen und sogar verstärken.

Der Kern der Projektgruppe beschäftigt sich intensiv mit den Arbeitsaufgaben. Darüber hinaus gibt es Personen, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht intensiv an dieser Arbeit beteiligen, aber gerne über den Projektstand informiert sein möchten, bei Teilfragen behilflich sind oder durch Kommentare der Kernprojektgruppe helfen möchten. Um dies zu ermöglichen, muss die Kernprojektgruppe bereit sein auch Zwischenergebnisse zu präsentieren und eine Kommentarmöglichkeit zu schaffen.

Mayfield (2006) hat die Zusammenarbeit von stark und niedrig involvierten Personen in einem „Power Law of Participation“-Modell dargestellt. Während die niedrig involvierten Personen Texte lesen und kommentieren, schreiben die stark involvierten Personen, moderieren, leiten das Projekt und übernehmen somit die Kernaufgaben. Dieses Modell zeigt, „wie Menschen mit sehr unterschiedlichen Möglichkeiten zum und unterschiedlichen Ansprüchen an das eigene Engagement individuelle Beteiligungsmöglichkeiten angeboten werden können“ (Maier 2007, S. 288).

Der Grad der Involviertheit hängt weniger von der zur Verfügung stehenden Zeit und den technischen Möglichkeiten ab, sondern vielmehr von der Motivation und der Selbstlernkompetenz des Projektmitglieds. Bei der Selbstlernkompetenz kann zwischen hoch- und wenig-selbstgesteuerten Personen unterschieden werden. Hoch-selbstgesteuerte Personen weisen „einen größeren Vollendungswunsch, höhere Anstrengung, mehr Aufmerksamkeit und eine größere intrinsische Motivation auf“ (Schüßler 2007, S.98), sind aber andererseits „weniger an der Zusammenarbeit mit anderen interessiert“ (ebd., S. 99). Die wenig-selbstgesteuerten Personen sind zwar stärker an einer Zusammenarbeit interessiert, bei ihnen ist aber das Konkurrenzdenken ausgeprägter und sie sehen den Lernprozess „weniger als eigenen Gestaltungsspielraum“ (ebd.). Mangelnde Selbstlernkompetenz kann demnach dazu führen, dass Personen ungewollt zu niedrig involvierten Projektmitgliedern werden, wodurch ihr Selbstwertgefühl gering bleibt und sie sich daher auch nicht trauen sich verstärkt an der Projektarbeit zu beteiligen. Sie verharren, bleiben Leser, geben Informationen oder Kommentare, während sich die lerngewohnten, hoch-selbstgesteuerten  Projektmitglieder in die Moderator- oder Leiter-Position aufschwingen. Diese, sich im Gruppenprozess ergebene Rollenverteilung kann von allen Mitgliedern akzeptiert werden oder sogar erwünscht sein. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass die niedrig involvierten Personen ihrer Potentiale noch gar nicht entdeckt haben, daher sollte es die Aufgabe des Leitenden sein, diesen Personen bei der Entdeckung ihrer Potentiale zu helfen und den Erwerb von Selbstlernkompetenz zu ermöglichen. […]

Literatur:

Diemand, V. / Mangold, M. / Weibel, P. (2007): Weblogs, Podcasting und Videojournalismus. Neue Medien zwischen demokratischen und ökonomischen Potenzialen. In: Ders. (Hrsg.), S. 3 – 18

Mayfield, R. (2006): Power Law of Participation. URL: http://ross.typepad.com/blog/2006/04/power_law_of_pa.html, [Stand: 10.09.2007]

Maier, J. (2007): Web 2.0 – Moderatorenrechte für alle? Gibt es eine E-Partizipation 2.0 im Web 2.0. In: Stiftung Mitarbeit (Hrsg.):
E-Partizipation – Beteiligungsprojekte im Internet. Bonn. S. 282 – 296

Schüßler, I. (2007): Nachhaltigkeit der Weiterbildung. Baltmannsweiler.<<

Selbst bei großen Foren mit tausenden von Mitgliedern trifft noch zu was Mayfield 2006 geschrieben hat. Es gibt viele Mitglieder die sich einmal angemeldet haben, sich dann aber nie zu Wort melden, weder mit einem Like oder einem Kommentar und auch keine Beiträge verfassen. Bei vielen meiner Foren verhalte ich mich genauso. Man liest den ein oder anderen Beitrag. Bei mir ist es auch schon mehrfach vorgekommen, dass ich das Forum wieder verlasse (mich also komplett abmelde), obwohl mich das Thema interessiert, aber der dort geführte Diskussionsstil unpassend ist (Beispielsweise gibt es diese toxische Diskussionskultur, bei der die Meinung vorherrscht, man müsste grundsätztlich jeden Beitrag mit seinem eigenen Hass überschütten. Manchmal herrscht auch eine seltsame Art von Besserwisserei statt Bereitschaft zur Lernhilfe vor. Dies kann einerseits auf fehlende Moderatorentätigkeit zurück zuführen sein oder bewusst so gewollt sein, denn es scheint so zu sein, dass gerade solche Foren bzw. Beiträge mit Hasskommentaren gepuscht werden. Anders kann ich mir es nicht erklären, dass ständig solche Beiträge unaufgefordert aufpoppen. Man kann dies dann auf „snooze“ (schlummern) schalten, aber los wird man solche Beiträge nicht, da die irrblödsten Beiträge immer wieder angezeigt werden.)

Stille Forenmitglieder können mit dem Forum natürlich großartig lernen. Indem sie dazu übergehen „gefällt mir“ zu drücken lernen sie nicht mehr. Aber die Person wird involvierter. Gehört mehr zur Gemeinschaft dazu. Für die Person, die das „gefällt mir“ bekommen hat, ist ein Like eine schöne Bestätigung (hier nehme ich Hassbeiträge und -kommtare mal raus. Mir geht es hier um Lernen). Hat eine Person eine gute Idee präsentiert oder ein schönes Bild gezeichnet, dann ist ein „gefällt mir“ oder ähnliches angebracht. Der oft gewünschte „Gefällt mir nicht“-Button, wie er beim Videoportal YouTube („Mag ich nicht“) vorhanden ist, halte ich für blödsinnig.

Genauso halte ich es unpassend Zeichnungen negativ in einem Kommentar zu kritisieren. Ein Kommentar sollte meiner Meinung nach motivierent und nicht demotivierend sein. Allenfalls kann man Tipps geben, wenn man selber, aufgrund langjähriger Erfahrung etc. dazu in der Lage ist („Schön das Du in Deiner Zeichnung … Vielleicht könntest Du noch dies oder jenes probieren, um …“) Ich rede von Foren in denen die Mitglieder alle etwas lernen wollen. Bei „Wir sind die Spitze der Menschheit“-Foren liegt die Messlatte natürlich weit höher.

Die Personen des Forums die Beiträge kommentieren, ist geringer als die die auf „gefällt mir“ klicken. Mayfield zählt die Personen die Kommentare zu einem Beitrag abgeben zwar noch zu den niedrig involvierten Personen, aber es ist schon ein Unterschied zu den Mitlesern oder „Gefällt mir“-Drückern. Hier können nun alle Beteiligten richtig lernen. Die Person, die einen Beitrag kommentiert, kann ganz neue Aspekte in das Thema bringen, an die die Person, die den Beitrag verfasst hat, noch gar nicht gedacht hat. Über einen Kommentar wie „Das ist klasse [z.B. eine bestimmte Idee etwas auf eine bestimmte Art zu zeichnen], werde ich mal selber probieren“ freut sich der Beitragsschreiber als auch der Kommentator, der sich auf den Weg begeben hat etwas Neues zu lernen.

Titelbild der Facebook-Gruppe „How to Teach Nature Journaling“ ab Januar 2023 mit einer Popup der Sünger Berge (Zeichnung: Günter Sahler. Ausgewählt und kommentiert von John Muir Laws)

Kommen wir zu den „stark involvierten Personen“ unteren den Foristen. Dazu zählen zunächst die Personen die Beiträge schreiben. Sie bringen etwas Neues ins Forum ein. Würden sie nichts schreiben, gäbe es nichts zu liken und nichts zu kommentieren. Kommen die Beiträge immer nur vom Moderator kann es auch eintönig sein. Kommen überhaupt keine neuen Beiträge, ist das Forum uninteressant. Machen mehrere Personen mit, wird es schöner. Ob die Person die einen Beitrag postet etwas lernt oder nur bei den anderen Mitgliedern auf Anerkennung aus ist, kann ganz unterschiedlich sein. Der Wunsch nach Anerkennung ist etwas menschliches. Man kennt aus der Presseartikel über das Belohnungszentrum des Gehirns, bei dem Anerkennung glücklich macht (vgl. Mesolimbisches System). Auch eine Person, die gerade mit etwas anfängt, beispielsweise mit dem Zeichnen, will sich zeigen können. Natürlich kann man sich auch als Anfänger in seinem Kämmerlein verstecken und die Zeichnungen in den berühmten Schubladen stapeln. Ich persönlich finde es immer gut, wenn jemand schreibt „Ich habe heute mit dem Zeichnen angefangen und das ist meine erste Zeichnung“. Ja, es ist dann nicht schwer ein „gefällt mir“ zu drücken oder einen netten „Weiter so“-Kommentar zu schreiben.

Schließlich gibt es die Admins und Moderatoren, die sich, wie ich es oben etwas abfällig geschrieben haben (es aber nicht so meinte), in die „Moderator- oder Leiter-Position aufschwingen“. Dies sind oft die Gründer des Forums, denen man dankbar sein muss, dass sie das Forum ins Leben gerufen haben, sich darum gekümmert haben, dass das Forum Mitgliederr bekommt, die die ersten Beiträge verfasst haben und den Betrieb aufrecht halten. All das ist nicht einfach und nicht jeder der sich ein großes erfolgreiches Forum gewünscht hat, konnte dies auch umsetzten.

Tschüss, bis zum nächsten Mal, vielleicht in einem netten Forum.