Memory Walking

Na! Tach zusamme! – schön Wetter hüg!

Heute will ich einen Memory Walk machen in ein Wäldchen, das 2020/2021 verschwunden und heute bebaut ist. Es war nur ein kleines Wäldchen. Es diente uns Kindern als Spielplatz. Andere gingen dort Gassi mit ihren Hunden oder nutzten den kleinen Weg durch das Wäldchen als Abkürzung.

Noch bis in die 1930er Jahre waren die Straßen am Wäldchen dünn besiedelt. Die folgende Karte zeigt das Wäldchen und die kleinen Straßen des Ortes Schildgen, der zur Hälfte in der Gemeinde Odenthal lag und zur anderen Hälfte auf dem Gebiet der Stadt Bergisch Gladbach. Das Wäldchen lag schon damals in Gladbach.

Die Karte zeigt die dünne Besiedlung in den späten 1930er Jahren (Quelle: mein Oral History-Projekt 1980er Jahre).

Das Wäldchen lag nicht im Dorf, sondern ein ganzes Stück vor dem Dorf. Selbst die wenigen Häuser hier, waren kaum älter als 50 Jahre. Es gab ein paar alte Häuschen aus dem 19. Jahrhundert. Eins davon stand direkt am Wald.

Altes Häuschen am Wäldchen. Es wurde in den späten 1970er Jahren abgerissen. Auf das Gelände kamen zwei große Häuser (Zeichnung aus der Erinnerung, 1984).
Auf diesem Foto ist das alte Häuschen schon weg. Daneben war eine kleine wilde Wiese, die im Sommer mit der Sense gemäht wurde. Links neben der Hecke ein großer Knallerbsenbusch (Schneebeere, aha!) in dem einige Jahre Miesmuscheln lagen (hat jemand da mit einer Tüte hineingeworfen). Ganz rechts das Törchen zum Garten (Sommer 1982)

Die Straße hieß zunächst Sträßchen Siefen. Sträßchen und Siefen waren ursprünglich zwei Weiler, die einige hundert Meter vom Wäldchen entfernt lagen. Die Straße war wirklich ein Sträßchen: Schmal, mit vielen Pfützen. Die Nachbarstraße Im Aehlemaar bestand ausschließlich aus einer Ansammlung von Teerflicken.

Blick ins „neue“ Sträßchen Siefen, mit einem alten Häuschen und der Kirche von 1929.
1955 sah es noch genauso aus. Das Wäldchen ist nicht im Bild, die Bäume unten rechts stehen in den Gärten.

Nach dem Krieg wurde kontinuierlich Haus für Haus gebaut. Die Straße blieb unverändert. Auf ihr konnte man Fußball spielen oder Rollschuh laufen („Auto“).

1985 sind viele Baulücken geschlossen worden. Das kleine Haus in der Kurve verschwand, mehrere Garagen stehen seitdem dort. Die Kirche ist von Gottfried Böhm, sie wurde in den 1960ern gebaut.

Es war eine vordörfliche Idylle. Grün und bunt.

Bienenstand im Sträßchen Siefen in den 1940er Jahren, direkt am Wäldchen.
Diese Gänse konnten gleich am Wäldchen auf einem Wiesenstreifen laufen.
Hier sieht man ein wenig vom Wäldchen. Noch sind die Bäume recht dünn.
Die Wiese ging hoch bis zum Aehlemaar.
Fotoausschnitt: Dies zeigt den oberen Rand des Waldes.

Auf alten Schwarzweiß-Fotos kann man sehen, wie groß die Bäume bereits in den 1950er Jahren waren.

Das Wäldchen in den 1950ern.
Das Wäldchen im Schnee.

Auf der anderen Straßenseite war ein großer Garten mit einem selbstgebauten Gartenhaus.

Garten mit Gartenhaus.
Das Gartenhaus bestand aus einem gemauerten Sockel, alten Fenstern und Holz.
Das Gartenhäuschen mit Blick auf das Wäldchen. Innen sieht man eine Holzbank (Sommer 1982)
Abstellhäuschen am Waldrand zum „Tentenbusch“. (Frühjahr 1985)
Obstbaum im Garten, hinten der „Tentenbusch“ (Frühjahr 1985)

Viele Fotos wurden nicht vom Wälchen gemacht. Weshalb auch? Es war ja da. So war es nun schwierig das Wäldchen anhand von Fotos zu rekonstruieren.

Zuerst decke ich bei diesem Foto die Person ab, die mit dem Wälchen als Hintergrund fotografiert worden ist, aber das Ergebnis war noch nicht so gut.
Mit einer Bildverarbeitung bekam ich dies hin. Das Wäldchen mit Eichen und Buchen in allen Größen war teilweise recht dicht.
Das Haus direkt am Wäldchen.
Ein Blick im Frühling 1985 ins Wäldchen.
Am Rand des Wäldchens.

Mittlerweile hatte man einen Teil der Straße einen neuen Namen gegeben. Sie hieß nun Odenthaler Markweg.

Der Odenthaler Markweg mit dem Wäldchen links. Nun bekam die Straße Kanal und wurde zu einer breiten „Spielstraße“. Sag „Ja“ zur modernen Welt!
Das Haus (hier unkenntlich gemacht) direkt neben dem Wäldchen.
Die Baumkronen.
Zwei Ringeltauben im Wäldchen. In der Bildmitte sieht man den Hauptpfad durch das Wäldchen.

So wuchsen die Buchen, die Eichen und die Ilexsträucher immer weiter. Die Brombeerbüche auch, aber nicht immer an der selben Stelle. Mal kamen Hundebesitzer, dort brachte jemand Gartenabfälle ins Wäldchen. Ein anderes mal kam ein Ehepaar und sammelte Weinbergschnecken. Der Regen schwemmte immer den Sand vom Weg im Wäldchen runter auf die Straße. Oder die Feuerwehr musste kommen, weil eine Katze weit oben auf einer Eiche saß und sich nicht mehr runter traute.

Bis 1984 hatte die Straße keinen Kanal. Ab und zu kam daher die FÄKA. Nun im Herbst 1984 kamen die Bagger.

Im Winter 1984/85 wurde dann der Kanal verlegt. Hier ein Bagger vorm Garten. Hinten der Bolzplatz (Februar 1985)

Anstatt die Straße wieder zu asphaltieren wurde sie doppelt so breit mit Verbundpflaster gepflastert, mit Parkbuchten und Beeten für kleine Bäume versehen. Und: Die Straße wurde nun von der Stadt als „Spielstraße“, also als verkehrsberuhigte Straße deklariert. Obwohl die Absicht sicher löblich war, ging damit der ursprüngliche Charakter der Straße verloren.

Im Juni 1985 wurde das neue Pflaster für die Spielstraße verlegt. Verlegebagger vorm Garten.
Wenig später parkten hier schon die ersten Sportwagen (hier ein Alfa Romeo Spider). Nein, nein, diese Wagen blieben die Ausnahme. Vorne das schöne neue Verbundpflaster, hinten der Garten in voller Sommerblüte (Juni 1986)

Einige Jahre waren in der Nachbarschaft keine neuen Häuser hinzugekommen. Nun wurden allmählich die Baulücken geschlossen.

Hier die Straße nochmal vor dem Umbau. Man sieht das die Straßenlaterne schon für die neue Fahrbahnbreite platziert wurde (Winter 1981/82).
Dieselbe Stelle nach dem Kanalbau. Nun wurden weitere Baulücken geschlossen (ca. 1986).
Anfang 1985: Blick aus dem vereisten Speicherfenster.
Anfang 1985: Blick aus dem vereisten Speicherfenster aufs Gartenhäuschen.
Anfang 1985: Blick aus dem vereisten Speicherfenster ins Wäldchen.

Das Wäldchen blieb davon unberührt. Mal gab es auch Arbeiten an den Bäumen, wie im Sommer 2013:

„Am Montag, dem 29. Juli 2013 wird der Odenthaler Markweg von der Hausnummer 38 bis zur Einmündung Aehlemaar wegen Baumpflegearbeiten gesperrt. Mehrere Bäume des dort gelegenen Wäldchens werden beschnitten, damit ihre Äste die Durchfahrt durch die enge Straße nicht behindern. Eine Eiche ist von Holzpilz befallen und muss gefällt werden.“(bergisch gladbach.de, 2013)

So ging es Jahr für Jahr weiter. Bis dann 2020 (im Sommer)/2021 die Baumfäller kamen, hoch in die Bäume kletterten und Ast für Ast, Stamm für Stamm abschnitten. Es wurde solange gearbeitet bis die letzte Wurzel weg war.

Baumfäller mit Kettensäge in einem der Bäume (Foto 2021).
Außer den Vögeln und ein paar verirrten Katzen war hier noch niemand zuvor gewesen.

Weitere Freiflächen werden in den nächsten Jahren bebaut. Noch wehren sich die Bürger. Im Aehlemaar und Sträßchen Siefen sollen Fahrradstraße werden, wird auch von Bürgern gefordert. Andererseits wird der Parkraum auf der Straßé langsam knapp. Im Aehlemaar, Odenthaler Markweg und Sträßchen Siefen sind längst keine Schleichwege mehr, wenn mal wieder die Altenberger-Dom-Straße und die Kempener Straße verstopft sind.

Dies ist ein Bild an der Kuhweide am Ende des Odenthaler Markwegs (2023 immer noch unbebaut). Im Hintergrund sieht man die beiden Wälder „Im Tentenbusch“ / „In der Fuchskaule“ und das Wäldchen zusammen mit einigen Gartenbäumen (Foto vom September 1985)

Mit ein paar Skizzen habe ich versucht, die Erinnerung festzuhalten an das Wäldchen.

Das Wäldchen aus der Vogelperspektive. Zusammengerechnet war das Areal rund 3000 m² groß. Der Wald (Im Tentenbusch / In der Fuchskaule) links steht noch (er ist doppelt so groß wie das Wäldchen).
Das Wäldchen war leicht abschüssig. Mit dem Fahrrad oder einem Schlitten konnte man prima runterfahren. Andere spielten hier Straßenbahn oder bauten hier neue Indianerdörfer.
Im Wäldchen gab es einen breiten Hauptpfad. Den hatte niemand angelegt, es war ja kein Park oder ein Forst, der hatte sich so ergeben, weil es eine gute Abkürzung zwischem dem Aehlemaar und dem Odenthaler Markweg war. Früher gingen weitere Pfade durchs Wäldchen. Ich kenn nur noch einen zum Wegekreuz mit der Mutter Gottes („Bildstock an der Ecke Odenthaler Markweg / Im Aehlemaar“). Eingezeichnet sind auch Brombeerbüsche, Ilexsträucher und eine alte Kiefer, die ganz auf der Spitze am Waldrand stand, noch bevor man das Wegekreuz errichtet hatte.

Das Wäldchen ist leider weg. Es bleiben nur die Erinnerungen.

Tschö, bis hell

Literatur (Memory Walking): Hannah Hinchman: A Life In Hand: Creating the Illuminated Journal. 1. Auflage. 1991, S. 35