Interview #2: Isabella Burk

Welche Erfahrungen machen andere mit Nature Journaling? Hier sprechen Nature Journalerinnen und Journaler darüber wie sie zum Nature Journaling gekommen sind, wie sie ihre ersten Seiten erstellten und wie sie nun Journalen oder welche Materialien sie verwenden. Hier erhältst Du Tipps aus erster Hand: Inside Nature Journaling

Hallo Isabella. Schön das Du ein wenig Zeit für unser Gespräch hast. Kannst Du Dich kurz vorstellen …

Isabella Burk: Mein Name ist Isabella und ich bin Künstlerin. Ich habe mir Flora und Fauna als Lieblingsmotiv ausgesucht und nutze dafür ein Natur Journal als Ideenschmiede.

Studie von Knoblauchzwiebeln (Allium sativum), gezeichnet von Isabella Burk.

Wie bist Du auf Nature Journaling aufmerksam geworden?

Ich habe mit einem Naturtagebuch zum ersten Mal begonnen als ich 8 Jahre alt war. Da gab es noch kein Internet, keine Tutorials, keine Onlinekurse oder Social Media Posts. Ich bin unserer örtlichen Pfadfindergruppe beigetreten. Es war eine klassische Aufgabe ein Naturtagebuch zu führen mit der Dokumentation von Tierspuren, Vogelarten, Schmetterlingen und natürlich Pflanzen. Es gab dafür sogar ein extra Pfadfinderabzeichen. Irgendwie habe ich damit nie aufgehört, denn ich liebe die Natur. Später bin ich viel mit dem Rucksack in andere Länder gereist und da habe ich meine Erlebnisse in einem Reisetagebuch mit Zeichnungen und Notizen festgehalten. Als ich meinen eigenen Garten hatte, habe ich wieder Tagebuch geführt und alles festgehalten, was ich beobachten konnte, z.B. wie sich meine Pflanzen entwickelt haben. Heute ist es ein essentieller Teil meiner künstlerischen Arbeit.

In einem Video auf YouTube gibst Du eine kurze Einführung darüber, was ein Nature Journal sein kann. Einleuchtend finde ich Deine Erklärung der Unterschiede zwischen Tagebuch, Skizzenbuch und Journal. Kannst Du uns das näher erläutern …

Es kommt darauf an, welche Art von Dokumentation man vorzieht. Nicht jeder kann und will zeichnen, manche Leute dokumentieren lieber schriftlich, andere sind eher analytisch und nutzen z.B. Tabellen und Diagramme. Das ist ja das Schöne: es gibt keine Regeln wie ein Nature Journal aussehen muss. Hauptsache es funktioniert für Dich selbst.

Nature Journaling ist ja eben mehr als das Führen eines Skizzenbuchs mit Naturdingen. Was reizt Dich an der Naturforscher bzw. wissenschaftlichen Seite von Nature Journaling?

Ich denke nicht wissenschaftlich – ich bin nur neugierig. Ich schaffe Gemälde und Zeichnungen von Pflanzen und Tieren. Um dies korrekt und richtig tun zu können, muss ich die Details meines Motivs kennen. Ich muss mir zuerst ein Bild von der Sache im Gesamten machen, das sogenannte „big picture“ – das tue ich mit dem Nature Journal. Ich zeichne und notiere Details, die ich zuhause auswerte, nochmals zeichne und weiterhin ausbaue – dann geht es an den Zeichentisch und ein Bild entsteht Stück für Stück.

In dem bereits erwähnten Video stellst Du Dein Ringbuch-Journal mit Bibliothek vor und hast damit auch ein Materialproblem gelöst.

Ich mag Flexibilität – im Format und in der Papierart. Deswegen bin ich ganz banal auf ein Ringbuch umgestiegen, welches ich mit dem Papier befüllen kann, was ich während meiner Natur Journal Exkursion brauche. Mixed-Media Papier für meine Wasserfarbskizzen, dickeres Zeichenpapier für Buntstift- und Graphitzeichnungen, klassisches 80 g/qm Papier für Notizen aller Art. Somit bin ich für alles gerüstet, was mir unterwegs begegnet.
Später sortiere ich die Seiten dann in ein etwas breiteres Ringbuch um, ich nenne das die Bibliothek. Dort kann ich meine Seiten so sortieren, wie ich möchte – kann alles unterschiedlichen Themen zuordnen und wenn es mir nicht gefällt, kann ich es jederzeit wieder umsortieren. Das geht bei einem klassischen Notizbuch leider nicht.

Anfänger haben oft das Problem dran zu bleiben. Zuerst wird jeden Tag gezeichnet. Dann unregelmäßig, das Buch wird vielleicht gewechselt. Auch sieht man, dass andere viel schönere „Kunstwerke“ schaffen usw. Welche Tipps hast Du zum dran bleiben?


Wichtig ist, dass man Spaß und Freude daran hat. Ich bewundere die Leute, die tatsächlich täglich ihr Nature Journal pflegen und immer das gleiche System benutzen. Das funktioniert eben nur, wenn man mit seinem Dokumentationssystem zufrieden ist. Ich mache Naturdokumentation schon so lange, habe zig Notizbücher und Skizzenbücher ausprobiert und bin jetzt erst auf ein System gekommen, was für mich persönlich am besten funktioniert. Das ist ein Entwicklungsprozess.
Ich arbeite mit meinen Natur Journal nicht täglich – das ist zeitlich gar nicht möglich. Aber wenn ich das tue, habe ich Spaß dabei – auch wenn ich nur 30 Minuten Zeit habe. Deswegen darf man das Ganze nicht so eng sehen und einfach die Zeit genießen, die man mit dem Natur Journal verbringt.


Geht Nature Journaling auch ohne spezielle Kurse, wenn man meint man hätte kein Zeichentalent, was meinst Du?

Für Nature Journaling braucht man keine speziellen Kurse. Man braucht nur Neugierde, ein Notizheft und einen Stift. Deswegen kann man Nature Journaling in jedem Alter betreiben. Auch kleine Kinder, die noch nicht schreiben können – dafür können sie malen. Auch wichtig: man muss auch nicht gut zeichnen können. Die meisten Nature Journaling Zeichnungen sind Denkskizzen unserer Beobachtungen und keine Gemälde.


Welche Inspirationen holst Du Dir?

Meine Inspiration ist die Natur selbst – ich gehe raus, nehme meine Kamera oder mein Skizzenbuch mit und verbringe meine Zeit damit, mich umzuschauen. Ich mache Ausflüge in die Umgebung mit Familie und Freunden, kleine Wandertouren sind dafür immer gut geeignet. Ich bin Mitglied im Naturkundeförderverein unserer Stadt. Dort kann ich jederzeit in das kleine Museum und in den botanischen Garten, um mich inspirieren lassen. Dort findet man auch immer nette Leute, mit denen man über seine Interessen plaudern kann. Dazu kommt, dass ich alte Bücher mag. Deswegen stöbere ich gerne im Antiquariat nach alten Bestimmungsbüchern. Da findet man immer noch den ein oder anderen Schatz.

Eine Seite aus dem Nature Journal von Isabella Burk: Blindschleiche (Anguis fragilis).

Du hast einen YouTube-Kanal, auf dem Du beispielsweise eine Einführung ins Nature Journaling und eine Vorstellung Deines Ringbuchs veröffentlicht hast. Was kann uns auf Deinem YouTube Kanal noch erwarten?


Es wird weiterhin paint-alongs geben, ein kleiner Einblick wie ich in der Natur arbeite, Vorschläge für das eigene Natur Journal und auch mal eine Begleitung durch ein großes Projekt.


In Deutschland ist Nature Journaling noch recht unbekannt. Nature Journaler sind selten …

Ich widerspreche da ganz entschieden, denn z.B. Alexander von Humboldt (1769–1859), Maria Sibylla Merian (1647 – 1717) und Albrecht Dürer (1471 – 1528) sind die berühmtesten deutschen Nature Journalisten der Geschichte. Alles deutsche Künstler und Entdecker, die ihre Beobachtungen zu Papier und nicht nur Kunst geschaffen, sondern auch naturkundiges Wissen verbreitet haben.
Aber ich weiß, auf was Du hinaus willst. Wir reden über den Begriff „Nature Journaling“, der ähnlich wie „Urban Sketching“ unsere moderne Zeit prägt. Aber es ist kein neuer Trend, es handelt sich hierbei um keine neue Erfindung. Ich möchte das nicht an einem Begriff festmachen, denn ein Nature Journal ist so individuell wie jeder einzelne Mensch. Es gibt so viele Menschen in Deutschland, die Naturtagebücher, Gartennotizen, Pflanzendokus, Tier- und Vogelbeobachtungen usw. für sich als Dokumentationsinstrument nutzen. Sie haben jeweils nur einen anderen Begriff dafür, die Art und Weise ist jedoch die gleiche: Dokumentation von Flora und Fauna. Deswegen gibt es auch unterschiedlich deutschsprachige Plattformen, weil wir die Dinge sprachlich und sachlich trennen. Wir haben nun mal in der deutschen Sprache keinen passenden Sammelbegriff bisher dafür gefunden, der alle Aspekte des Nature Journal abdeckt.

Spannend! Ich bedanke mich ganz herzlich bei Dir, Isabella und möchte zum Schluss noch auf Deine tolle Internetseite hinweisen, die unter der folgenden Adresse erreichbar ist:

www.isabellalovesflowers.com – Webseite von Isabella Burk